Magazin · Tierschutz aktiv · 1. April 2021 · 6 Min. Lesezeit
Wissen kompakt: Straßentiere in Europa
Warum gibt es so viele heimatlose Hunde und Katzen auf Europas Straßen? In welchen Ländern sind die streunenden Vierbeiner besonders zur Herausforderung geworden? Und wie können Lösungen für die europaweite Straßentierproblematik aussehen? Wir klären auf.
In Europa leben insgesamt mehrere Millionen Hunde und Katzen auf der Straße. Foto: Shutterstock
Die Situation von Straßentieren in Europa
Jedes Jahr am 4. April soll mit dem Welt-Streuner-Tag auf die Situation von Straßentieren weltweit aufmerksam gemacht werden.
Für Straßenhunde und Straßenkatzen sind Futter, Wasser, Unterschlüpfe und eine medizinische Versorgung nicht sicher gewährleistet. Viele der Vierbeiner leiden unter Krankheiten, Parasitenbefall, Verletzungen, permanentem Hunger und sind unterernährt.
Hinzu kommen Gefahren durch den Straßenverkehr sowie durch Hundefänger, die die Streuner im Auftrag der Regierung an sogenannte Tötungsstationen übergeben, wo die Tiere eingeschläfert werden.
Mit diesem Schicksal sind allein in Europa mehrere Millionen Straßentiere konfrontiert. Wie konnte es zu dieser enorm hohen Anzahl kommen?
Von Menschen verursachte Not
Straßenhunde und -katzen sind ehemalige Besitzertiere beziehungsweise deren Nachfahren. Dazu zählen zum Beispiel ursprüngliche Haus- oder Nutztiere, wie Hof-, Jagd- und Wachhunde, die von Menschen ausgesetzt werden. Besonders oft betroffen: Muttertiere mit ihrem Nachwuchs, deren Halter:innen sich nicht um die Vielzahl an Tieren kümmern wollen oder können.
Während sich in Deutschland lediglich Katzen draußen frei bewegen, die eine:n Besitzer:in haben, trifft dies in vielen süd- und osteuropäischen Ländern auch auf Hunde zu. Hierzulande leben Hunde wie der Rest der Familie mit im Haus und werden begleitet spazieren geführt, doch andernorts ist es üblich, dass sie unbeaufsichtigt durch die Umgebung streunen.
Die in der Regel unkastrierten Vierbeiner können sich auf der Straße fortlaufend vermehren. Dabei paaren sich Straßentiere sowohl untereinander als auch mit Besitzertieren im Freigang.
Dass so viele Hunde und Katzen trotz Freigang nicht kastriert sind, hat verschiedene Ursachen. Teilweise lehnen Menschen die Kastration zum Beispiel ihrer Rüden bewusst ab, weil sie es für unnatürlich halten. Manche sind schlichtweg zu arm, andere einfach nicht ausreichend informiert.
Als Ursprung der Existenz von Straßentieren und ihrer hohen Anzahl muss folglich der Mensch ausgemacht werden. Es ist aus diesem Grund auch die alleinige Verantwortung des Menschen, Lösungen für die europaweite Straßentierproblematik zu finden und zu handeln.
Man kann beobachten, dass Straßentiere die Nähe zu Wohngebieten suchen, da dort vermehrt Essensreste verfügbar sind. Foto: Shutterstock
Viele Länder, eine Herausforderung
Vermeintliche Lösungen, das Problem der vielen Straßentiere in Europa anzugehen, gibt es – doch sind viele von ihnen aus Sicht des Tierschutzes verantwortungslos und nicht hinnehmbar. In Rumänien und Spanien zum Beispiel versucht die Regierung seit Jahren die Masse an Straßenhunden durch Tötungen zu verringern.
Tierschützer:innen schildern erschreckende Zustände in den sogenannten Tötungsstationen: Um Kosten einzusparen würden die Hunde oftmals weder Futter noch Wasser und kranke oder verletzte Tiere keine medizinische Hilfe erhalten. Der Umgang mit den Vierbeinern sei brutal und die Zwinger meist völlig überfüllt.
Auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel Italien, berichten Augenzeugen von miserablen Begebenheiten in städtischen Tierheimen. Für jedes Tierheimtier – der Großteil sind eingefangene Straßentiere – erhalten die Gemeinden Geld, welches jedoch oftmals nicht in die Versorgung der Vierbeiner fließe, sondern von den Betreiber:innen privat einbehalten werde.
Wer denkt, allein das europäische Ausland sehe sich mit einer Vielzahl von Straßentieren konfrontiert, der irrt. Zwar gibt es in Deutschland keine Straßenhunde, doch leben hierzulande Schätzungen zufolge rund zwei Millionen herrenlose Katzen.
Auch sie sind unter anderem bedroht von Hunger und Krankheiten. Aufgrund fehlender Kastrationen werden die Katzenbabys Generation um Generation in ein von Not und Gefahren geprägtes Leben hineingeboren.
Maßnahmen ohne Wirkung
Zu der Tatsache, dass die Vorgehensweise, Straßentiere einzufangen, wegzusperren und vielerorts auch zu töten, nicht tierschutzkonform ist, kommt die Erkenntnis, dass die Maßnahmen keinen Erfolg zeigen.
Die Anzahl von Straßentieren in einem bestimmten Gebiet, richtet sich nach der Verfügbarkeit von Lebensgrundlagen wie Wasser, Futter und Unterschlüpfen. Entfernt man Tiere aus diesem Gebiet, gibt es einen Überschuss dieser Ressourcen. Das begünstigt zum einen die Vermehrung der verbleibenden Tiere und zieht zum anderen Tiere aus anderen Gebieten an.
Dieser Effekt führt dazu, dass sich die Anzahl der Vierbeiner in einem Gebiet nach einer bestimmten Zeit wieder einpendelt. An der Gesamtzahl der auf der Straße lebenden Hunde und Katzen ändert sich also nichts. Erfolgsversprechender ist demzufolge, die Tiere einzufangen, zu kastrieren und anschließend am selben Ort wieder freizulassen. So kann das beschriebene Phänomen verhindert werden.
Eine verantwortungsvolle Lösung für die europäische Straßentierproblematik sind flächendeckende Kastrationen, die den Kreislauf der fortlaufenden Vermehrung unterbrechen. Foto: Shutterstock
Straßentieren helfen
Ein Ziel von VETO ist es, die Situation von Straßentieren in ganz Europa dauerhaft zu verbessern. Heimatlose Hunde und Katzen sollen vor Gewalt durch den Menschen sicher sein. Sie sollen ausreichend Futter und Wasser zur Verfügung haben und ihre medizinische Versorgung soll gewährleistet sein.
Wie wollen wir dieses Ziel erreichen? Durch die Kombination von direkter Soforthilfe und Maßnahmen, die sich langfristig positiv auswirken.
Wer VETO unterstützt, ermöglicht europaweite Hilfe für Straßentiere durch die Tierschutzorganisationen vor Ort. Futterspenden helfen, die Hunde und Katzen an Futterstellen auf der Straße mit lebenswichtiger Nahrung zu versorgen.
Zu jeder Futterspende stellt VETO Tierschutzvereinen außerdem eine Geld-Prämie zur Verfügung. Mithilfe dieser finanziellen Unterstützung können die Tierschützer:innen
– die Vierbeiner medizinisch versorgen und impfen,
– Straßen- und Haustiere kastrieren, was die Population langfristig reduziert,
– die Tiere chippen und registrieren
– sowie aufklären und dabei in den Austausch mit den Menschen vor Ort gehen, um den Umgang mit Tieren zu verbessern und die Wichtigkeit von Kastrationen bei Straßentieren und Haustieren zu verdeutlichen.
Ungarn, Polen, Bulgarien, aber auch Griechenland, Portugal und die Türkei – Straßenhunde und Straßenkatzen prägen vielerorts in Europa die Stadtbilder. Foto: Shutterstock
Außerdem müssen einheitliche Regelungen, bundesweit und auf europäischer Ebene, erwirkt werden, wie beispielsweise eine einheitliche Kastrationspflicht für Freigängerkatzen in Deutschland und staatliche Unterstützungen für flächendeckende Kastrationskampagnen anstelle der finanziellen Förderung von Fang- und Tötungsaktionen.
Als Vereinigung europäischer Tierschutzorganisationen hat VETO sich auf die Agenda gesetzt, die Situation von Straßentieren in Europa als Thema auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene weiter zu verstärken und Lösungen voranzutreiben. Sobald wir offizielle Maßnahmen umsetzen, informieren wir unsere Community.