Magazin · Tierschutz aktiv · 13. Juli 2021
· 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert am 16. Oktober 2024
Wirksam gegen den sinnlosen Tod von Straßentieren: Kastrationen für den Tierschutz
Nur flächendeckende Kastrationen können das Leid auf den Straßen und in Tötungsstationen langfristig verhindern. Erfahre hier, welche Rolle Tierschutzvereine dabei spielen, wie sie vorgehen und welche Erfolge dank regelmäßiger Kastrationsaktionen zu beobachten sind.
Tierschutzvereine sowie Tierärztinnen und Tierärzte wie Radu Hotoboc geben tagtäglich alles, um mit Kastrationen künftiges Leid auf den Straßen zu verhindern. Foto: Ben Mangelsdorf
Unkastrierte Tiere und die verheerenden Folgen
Tierschutzvereine sehen sich täglich mit den Folgen von fehlenden Kastrationen konfrontiert. Ganzjährig werden zahllose Welpen und Kitten – manchmal auch mit den Muttertieren – in den Tierheimen abgegeben oder auf der Straße ausgesetzt. Im Frühling sind es besonders viele – man spricht dann von der sogenannten Welpen- und Kittenschwemme.
Wenn die Muttertiere selbst geschwächt und unterernährt sind, kriegt auch der Nachwuchs nicht ausreichend Nährstoffe über die wenige Muttermilch ab. Foto: HundeFairvermittlung-Rumänien e. V.
Vielerorts haben Hunde und Katzen noch einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Sie werden häufig nur für einen bestimmten Zweck angeschafft. Hunde sollen beispielsweise ein Grundstück bewachen oder werden für die Jagd abgerichtet. Katzen sollen hingegen häufig den Hof frei von Mäusen halten.
Die unkastrierten Tiere werden oftmals ausschließlich draußen gehalten und können sich dort mit anderen Haustieren oder Straßentieren unkontrolliert vermehren.
Kommt es zu ungewolltem Nachwuchs, wird dieser kurzerhand ausgesetzt. Ebenso ergeht es den Haustieren, wenn sie den ihnen zugewiesenen Zweck nicht mehr erfüllen. Ihrer wird sich dann einfach entledigt und sie werden durch ein anderes Tier ersetzt.
Immer neue Tiere landen so auf der Straße oder werden bereits in dieses leidvolle Leben hineingeboren.
Die heimatlosen Tiere müssen sich allein durchschlagen und sind unzähligen Gefahren schutzlos ausgeliefert. Von Unterernährung und Dehydration über Krankheiten, den Straßenverkehr und extreme Wetterbedingungen bis hin zu Vergiftungen oder Hundefänger, die sie in Tötungsstationen stecken wollen: Das Leben der Tiere wird durch gleich mehrere Faktoren bedroht.
Viele Straßenhunde und -katzen verlieren den Überlebenskampf frühzeitig. Gerade für die ohnehin geschwächten Jungtiere stehen die Chancen auf der Straße äußerst schlecht.
Kommt es zu ungewolltem Nachwuchs, wird dieser häufig einfach wie Müll entsorgt. Ohne Unterstützung haben die Welpen kaum Chancen zu überleben. Foto: VETO
Vielerorts ist ein Kreislauf aus Leid und Tod entstanden: Durch fehlende Kastrationen wird immer wieder neuer Nachwuchs in das leidvolle Leben auf der Straße hineingeboren oder kurze Zeit nach der Geburt ausgesetzt und gibt das schwere Los irgendwann wiederum selbst an seine Nachkommen weiter. Das Ergebnis: Die schätzungsweise Millionen Straßentiere in Europa.
Darum ist die Kastration von Hunden und Katzen im Tierschutz so wichtig
Ohne flächendeckende Kastrationen wächst die Population an Straßentieren durch neugeborene Welpen und ausgesetzte Haustiere unkontrolliert weiter. Das so produzierte Leid ist enorm.
Rein rechnerisch kann ein unkastrierter Hund für über 7.000 Nachkommen in nur fünf Jahren sorgen – in acht Jahren wären es bereits über eine Million neuer Tiere auf der Straße.
Geht man von einem unkastrierten Hundepaar und seinen Nachkommen aus, gibt es im 10. Jahr über 60 Millionen neue Hunde. Quelle Vermehrungspyramide: VETO
Bei unkastrierten Katzen sind die Folgen gar noch größer: In nur fünf Jahren kann es hier durch eine unkastrierte Katze rein rechnerisch bereits zu über 12.000 Nachkommen kommen, nach acht Jahren sind es schon über zwei Millionen.
Strolchi Tierhilfe e. V.: „Jede kastrierte Katze vermeidet vielfaches Tierleid und ist ein Erfolg für uns und den Tierschutz!“ Quelle Vermehrungspyramide: VETO
Tierschutzvereine übernehmen Verantwortung
Tierschutzvereine vor Ort versuchen alles, um diesen Kreislauf aus Leid und Tod zu durchbrechen. Sie wissen: Nur durch flächendeckende Kastrationen kann die Population an heimatlosen Tieren eingedämmt und langfristig gesenkt werden.
Wichtig dabei: Auch Haustiere, die sich frei bewegen können, müssen kastriert werden, denn sie stellen häufig die Vorantreiber der Straßentierpopulation dar.
Deshalb gilt es langfristig, noch mehr Menschen davon zu überzeugen, sowohl für Straßentiere als auch für das eigene Haustier Verantwortung zu übernehmen und ungewollten Nachwuchs zu verhindern. Aufklärungskampagnen sind daher ein wichtiger Bestandteil der Tierschutzarbeit.
In Kooperation mit Tierärztinnen und Tierärzten bieten sie den Menschen zudem an, ihre Hunde und Katzen im Rahmen von Kastrationsaktionen kostenlos kastrieren zu lassen. Mit sogenannten Kastrationsmobilen kommen die Veterinärinnen und Veterinäre dazu bis in entlegene Dörfer, um auch dort einen Zugang zu Kastrationen zu ermöglichen.
Durch ein Kastrationsmobil können Straßentiere und Haustiere direkt vor Ort kastriert werden, um ihre unkontrollierte Vermehrung zu verhindern. Foto: Strassenhunde Rumänien in Not e. V.
Fangen, kastrieren, freilassen
Neben den Tierheimtieren und Haustieren versuchen die Vereine bei den Kastrationskampagnen auch möglichst viele Straßentiere einzufangen, zu kastrieren und – wenn es die Situation vor Ort zulässt – nach der Kastration wieder freizulassen und in ihren Revieren zu versorgen. Dieses Vorgehen nennt man Trap-Neuter-Return (zu deutsch: fangen, kastrieren, freilassen).
Lässt man die Straßenhunde und Straßenkatzen nach der Kastration wieder in ihrem ursprünglichen Gebiet frei, stabilisiert sich die Anzahl der Tiere in dieser Region und sinkt langfristig. Mit dieser Methode der Wiederansiedlung wird vermieden, dass ein Überschuss an verfügbaren Ressourcen wie Nahrung entsteht, wodurch neue, unkastrierte Tiere aus der Umgebung angelockt werden würden.
Unverzichtbare Hilfsmittel bei Kastrationsaktionen für Straßenkatzen: Futter, das die Tiere anlockt, und Lebendfallen, um die Vierbeiner festzusetzen. Foto: Look-Tierschutzverein Deutschland e. V.
Ob dieses Vorgehen vertretbar ist, entscheiden Tierschutzorganisationen anhand verschiedener Faktoren. Manche Orte bergen zu große Risiken, wie Gefahren durch Hundefänger, Tötungsstationen und den Straßenverkehr. Auch kommt nicht jedes Tier dafür infrage, nach der Kastration wieder guten Gewissens ausgesetzt zu werden. Ältere Vierbeiner oder solche mit Handicap sind bei den Tierschützenden besser aufgehoben.
Voraussetzungen für Kastrationen
Um Kastrationsprojekte realisieren zu können, sind medizinisches Zubehör wie Narkosemittel, Skalpelle, Verbandmaterial und entsprechende Räumlichkeiten oder ein Kastrationsmobil notwendig sowie Tierärztinnen und Tierärzte und tiermedizinische Fachangestellte.
Jeder kastrierte Hund bedeutet weniger ungewollten Nachwuchs und weniger Leid auf den Straßen. Foto: Pfotenfreunde Bulgarien e. V.
Zur Erleichterung von Tierschutzvereinen unterstützen die Expertinnen und Experten die Kastrationsaktionen häufig ehrenamtlich in ihrer Freizeit, sodass Personalkosten entfallen und allein die Materialkosten gestemmt werden müssen – jede Einsparung schont die Vereinskassen.
Ebenfalls Voraussetzung für den operativen Eingriff ist eine stabile, körperliche Verfassung der Tiere. Nach einem entbehrungsreichen Leben auf der Straße müssen die oftmals kranken und unterernährten Hunde und Katzen zunächst versorgt und aufgepäppelt werden, bevor sie kräftig genug sind für den Eingriff. Für die Erstversorgung und tägliche Fütterung der Vierbeiner sind Tierschutzvereine darum auf Futterspenden angewiesen.
Die Kosten einer Kastration
Die Kosten für eine Kastration durch Tierschutzvereine variieren in Europa von Land zu Land sowie auch innerhalb eines Landes in verschiedenen Regionen. Ob es sich bei dem Patienten um einen Hund, eine Hündin, einen Kater oder eine Katze handelt, spielt ebenfalls eine Rolle.
Die Kastration eines Hundes, inklusive Nachsorge und Chip kostet Tierschutzvereine beispielsweise in Rumänien im Schnitt 40 Euro. In Griechenland belaufen sich die Kosten für die Erstversorgung, inklusive Bluttest, Wurmkur, Kastration und Mikrochip hingegen auf rund 150 Euro.
Die Vorteile von Kastrationsaktionen
- Kastrationen sind effektiv, ethisch vertretbar, tierschutzkonform und verantwortungsbewusst. Die hohe Anzahl heimatloser Tiere sinkt, ohne dass Vierbeiner dafür sterben müssen.
- Sie sind der Grundstein dafür, dauerhafte Verbesserungen im Tierschutz zu erzielen. Nachkommenden Generationen von Welpen und Kitten wird ein Leben in Elend erspart. Der Gesundheitszustand des Einzeltiers verbessert sich, da im Rahmen einer Kastration ein allgemeiner Gesundheitscheck erfolgt.
- Sinkt die Anzahl streunender Tiere, entspannt sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Die Anwesenheit weniger Straßentiere verändert das Empfinden der Menschen der Tiere als Plage.
Mit Beharrlichkeit und Ausdauer zu langfristigen Veränderungen
Statt die Population an Straßenhunden durch Kastrationen einzudämmen, setzt die Politik in Ländern wie Rumänien auf das systematische Töten der Tiere.
Unermessliches Leid und kein Entkommen: Die schreckliche Situation der Hunde in Tötungsstationen. Foto: Ben Mangelsdorf
Tausende Hunde fristen in rumänischen Tötungsstationen ihr Dasein. Nach einer Frist von 14 Tagen dürfen sie per Gesetz getötet werden. Mit dem Leid der Tiere hat sich ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt. Denn: Städtische Tierheime und Tötungsstationen in Rumänien werden mit beträchtlichen Geldsummen pro Tier staatlich gefördert.
Dabei hat sich längst gezeigt, dass das Einfangen und Töten zur Populationskontrolle völlig ineffektiv sind.
Kastrationen hingegen können die Straßentierpopulation nachweislich eindämmen. Wichtig dabei: Um dies langfristig zu sichern, ist es notwendig, dass mindestens 70 Prozent der Tiere in einem Gebiet kastriert sind.
Vielerorts befinden sich die Tierschützenden deshalb in einem ständigen Kampf gegen die Zeit. Denn wurde der Tierschutzgedanke in der Bevölkerung noch nicht ausreichend verankert und nicht ausreichend Tiere kastriert, werden weiterhin Tiere ausgesetzt und es kommt auf den Straßen zu neuem Nachwuchs.
Dass die Eindämmung und Reduzierung der Straßentierpopulation auf humane Weise möglich ist, zeigt sich unter anderem im rumänischen Pitesti. Zwischen 2007 und 2013 konnte der Straßenhundebestand dort durch 20.058 Kastrationen in der sogenannten Smeura, dem dortigen Tierheim des Vereins Tierhilfe Hoffnung, von über 30.000 Tieren auf 4.000 Tiere reduziert werden.
Auch im Rahmen einer Studie, die die Managementmaßnahmen von Straßenhundpopulationen in Großbritannien beleuchtet hat, konnte festgestellt werden, dass sich eine Kombination aus den folgenden Ansätzen positiv auf die Kontrolle der Population ausgewirkt hat:
- Förderung von Kastrationen durch Tierschutzorganisationen oder lokale Behörden
- Aufklärung der Hundehalterinnen und Hundehalter
- Förderung und Erleichterung dauerhafter Kennzeichnung von Tieren via eines Microchips
Flächendeckende Kastrationen helfen nachweislich, die Situation zu verbessern, doch die Tierschützenden wissen: Dranbleiben ist im Kampf für weniger Leid auf den Straßen und in den Tötungsstationen entscheidend. Kastrations- und Aufklärungskampagnen führen nicht von heute auf morgen zu Verbesserungen, sondern langfristig.
Auf dieses Ziel arbeiten auch die Vereine Future 4 Paws und Happy Paws Germany im rumänischen Târgu Jiu hin. Erst kürzlich haben sie gesehen, mit welch grausamen Methoden in der Tötungsstation gegen die Straßenhundpopulation vorgegangen wird. 60 Hunde wurden dort innerhalb von nur einer Stunde getötet.
Die Tierschützenden tun alles in ihrer Macht Stehende, um dieses gnadenlose Vorgehen gegen die heimatlosen Tiere langfristig zu verhindern. Sie wissen, es ist ein langer Weg, doch Aufgeben ist für die Tierschutzvereine keine Option.
„Es ist wichtig, einfach anzufangen, mutig zu sein und diesen Weg zu gehen. Den sind wir gegangen und möchten ihn auf jeden Fall weitergehen, damit, wenn wir in ein paar Jahren durch die Straßen gehen, weniger Straßenhunde vor Ort sind. Das ist unser Ziel.“
Die Tierschutzvereine setzen auf langfristiges Engagement und erreichen von Jahr zu Jahr mehr. So konnte der Verein Future 4 Paws seit seiner Gründung 2022 die Anzahl an durchgeführten Kastrationen stets erhöhen und bislang insgesamt über 9.000 Eingriffe ermöglichen.
Die Kastrationsaktionen des Vereins sind stets ausgebucht. Das zeigt, dass immer mehr Menschen vor Ort gewillt sind, ihr Haustier kastrieren zu lassen.
Mit Tierärztinnen und Tierärzten wie Patricia Parashiv realisiert der Verein Future 4 Paws Kastrationskampagnen, bei denen Hundehalterinnen und Hundehalter ihre Tiere kostenlos kastrieren lassen können. Foto: Patricia Parashiv
Mittlerweile steht teilweise auch die Kommunalpolitik den Aufklärungs- und Kastrationskampagnen aufgeschlossen gegenüber und schätzt das Engagement der Tierschutzvereine.
„Wir haben bereits positive Erfahrungen gemacht. Es gibt Bürgermeister rund um Târgu Jiu, die wirklich mit uns zusammenarbeiten und die Kastrationen fördern, indem sie die Menschen darüber informieren. Das ist ein großer Schritt in Rumänien.“
Die positiven Entwicklungen geben Hoffnung und zeigen, dass das ganzheitliche Konzept aus Aufklärungs- und Kastrationskampagnen der Vereine wirkt.
Nur durch flächendeckende Kastrationen kann verhindert werden, dass das Fangen und Töten der Straßentiere als notwendige Maßnahme angesehen wird. Nur so kann der Kreislauf aus Leid und Tod auf den Straßen und in den Tötungsstationen langfristig durchbrochen werden.
Dafür kämpfen Tierschutzvereine wie Future 4 Paws und Happy Paws Germany tagtäglich.
„Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, dann müssen wir kastrieren und dieser feste Glaube daran treibt mich an. Es ist einfach der einzige Weg.“
Kastrieren statt töten: Beende mit uns das Leid im rumänischen Târgu Jiu
Bei ihrem unermüdlichen Einsatz für ein Ende des Leids auf den Straßen von Târgu Jiu und in der dortigen Tötungsstation brauchen die Tierschützenden dringend Unterstützung.
Mit unserer Kampagne Zum Tode Verurteilt sammeln wir gezielt Spenden für Kastrationsprogramme und stellen Futter zur Versorgung der Tiere bereit.
Hilf uns, das sinnlose Leid zu beenden und werde Teil der Lösung. Sorge mit uns dafür, dass auch Târgu Jiu langfristig zur Erfolgsstory wird und die grausame Vorgehensweise gegen Straßenhunde ein Ende hat.