Magazin · Tierschutz aktiv · 11. Mai 2022 · 5 Min. Lesezeit
Von Straßentier bis Kettenhund: Tierschutz in Griechenland
In Griechenland leben etliche Hunde und Katzen auf der Straße. Was die Regierung gegen diesen Zustand unternehmen will und warum trotz neuem Tierschutzgesetz die Vierbeiner weiterhin leiden, erfährst du in diesem Beitrag.

Griechische Straßenkatzen leiden meist im Verborgenen. Sie ernähren sich hauptsächlich von Essensresten, die im Müll landen. Foto: VETO
Wer schon einmal in Griechenland Urlaub gemacht hat, hat sie sicher schon gesehen: Unzählige Straßentiere streunen durch die Straßen, leben auf Hotelanlagen oder betteln am Strand nach Futter und Aufmerksamkeit. Freilebende Hunde und Katzen gehören in vielen Teilen Griechenlands ganz selbstverständlich dazu. Das Problem: Niemand kümmert sich verantwortungsvoll und verlässlich um die Vierbeiner. Da die meisten nicht kastriert sind, vermehren die Tiere sich unkontrolliert und ihre Population steigt weiter an.
Laut Tierschutzgesetz müssen Haustiere kastriert werden. Doch kaum jemand befolgt diese Regel, die ohnehin kaum kontrolliert wird. Unkastrierte Haustiere paaren sich also ebenfalls mit Straßentieren und ungewollte Kitten und Welpen werden geboren. Viele Menschen setzen den Nachwuchs einfach aus oder entsorgen ihn anderweitig. In weiten Teilen Griechenlands gelten Kastrationen als etwas Unnatürliches und werden deshalb abgelehnt. Wie viel Leid durch diese Haltung verursacht wird, ist den meisten Menschen nicht klar.
Das Leben als Straßenkatze oder Straßenhund ist hart. Oft stecken sich die Tiere mit Krankheiten an, sie leiden Hunger oder werden sogar von Menschen misshandelt oder getötet. Besonders in beliebten Urlaubsgebieten Griechenlands berichten Tierschutzvereine von großangelegten Vergiftungsaktionen. Die Orte sollen vor dem großen Ansturm der Tourist:innen von Straßentieren befreit werden. Tötungsstationen – wie es sie in anderen europäischen Ländern gibt – existieren in Griechenland nicht. Dennoch fielen zahlreiche Hunde und Katzen diesen Tötungsaktionen zum Opfer, wissen die Tierschützer:innen vor Ort.

Tierschütz in Griechenland ist für viele Tierschützer:innen vor Ort reine Herzensangelegenheit. Für ihre Schützlinge gehen sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Foto: VETO
Aktiv als Tierschützer:in in Griechenland: eine Lebensaufgabe
Tierschützer:innen in ganz Griechenland beklagen, dass das Aussetzen von Hunden und Katzen sehr verbreitet ist. Dies stellt die Tierschutzvereine vor eine große Aufgabe: Möglichst viele Hunde und Katzen sollen in Tierheimen untergebracht oder auf Pflegestellen sicher versorgt werden.
Zafeiroula Tegou, genannt Zafi, kümmert sich in Grevena um rund 120 Hunde, die in ihrem Tierheim untergebracht sind. Hinzukommen etliche Straßenkatzen und -hunde, die sie an sicheren Futterplätzen versorgt. Ende 2013 hat Zafi das Tierheim von der Stadt übernommen und seitdem viel verändert: Wo früher enge Zwinger und wenig Futter alltäglich waren, stehen nun weitläufige Gehege und artgerechte Unterbringung im Fokus.
Doch Unterstützung erhält Zafi nur selten. Sie ist fast ausschließlich auf Spenden angewiesen. Leider ergeht es den meisten engagierten Tierschützer:innen in Griechenland so: Obwohl Griechenland über ein umfangreiches und kürzlich sogar reformiertes Tierschutzgesetz verfügt, sind Hilfen von Gemeinden oder Behörden eine Seltenheit.
In unserem Video siehst du, wie der Alltag der Tierschützerin Zafi abläuft.
Das Gesetz, das nicht befolgt wird
Das griechische Tierschutzgesetz wirkt sehr durchdacht und vergleichsweise fortschrittlich. Im Jahr 2021 wurde es sogar noch einmal angepasst und optimiert. In diesem Gesetz ist beispielsweise verankert, dass Hundehalter:innen spätestens acht Wochen nach der Geburt ihren Vierbeiner registrieren lassen müssen und sie verpflichten sich dazu, auf das Wohl des Tieres zu achten und mindestens einmal im Jahr eine tierärztliche Vorsorgeuntersuchung durchführen zu lassen. Für diesen Check-Up erhalten sie sogar einen Gesundheitspass für ihr Haustier.
Seit 2021 besteht zudem eine Kastrationspflicht für Haustiere. Vierbeiner, die älter als ein Jahr sind, müssen per Gesetz kastriert oder sterilisiert werden. Nimmt man ein älteres Tier bei sich auf, hat man sechs Monate Zeit, um sich um eine Kastration zu kümmern. Verboten ist seit der Reformation ausdrücklich das Aussetzen von Hunden und Katzen!
Misshandlungen, Verletzungen und das Quälen von freilebenden Tieren ist laut diesem Gesetz ebenfalls untersagt. Kranke Straßentiere sollen sogar medizinisch versorgt werden.
Wie in vielen Ländern findet aber auch in Griechenland das Tierschutzgesetz kaum Anwendung. Die Kastrationspflicht existiert lediglich auf dem Papier und nach wie vor werden Hunde und Katzen sehr oft ausgesetzt.
Kuschelwelpe oder Kettenhund?
In Griechenland sind Hunde als Haustiere durchaus beliebt! Für reinrassige Welpen geben Menschen sehr viel Geld aus und behandeln sie gut. Das Problem dabei ist, dass immer mehr Tiere dieser Mode-Rassen gezüchtet werden und die Tierheime weiterhin überfüllt sind mit Hunden, die niemand haben möchte.
Im Gegensatz zu den reinrassigen Hunden fristen die sogenannten Kettenhunde – auch Tonnenhunde genannt – ein trostloses und nicht artgerechtes Leben. Sie werden oft schon als Jungtier an eine schwere, kurze Kette gelegt, um ein Gelände zu bewachen. Sie dienen sozusagen als lebendige Alarmanlage. Besonders in den ländlicheren Regionen des Landes ist diese Art der Ausnutzung von Tieren noch sehr verbreitet, bei der die Hunde nur selten gefüttert werden und keine menschliche Zuwendung erfahren. Stirbt ein Kettenhund, wird einfach ein neues Tier an die Kette gelegt.
Das Tierschutzgesetz in Griechenland sieht vor, dass Hunde nur mit ausreichender Versorgung, Bewegung und medizinischer Pflege vorübergehend an eine Kette gelegt werden dürfen. Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Wenn Tierschützer:innen Hunde aus dieser qualvollen Haltung befreien können, sind sie in erbärmlichen Gesundheitszuständen. Manchmal sind ihre Halsbänder eingewachsen, weil sie schon seit dem Welpenalter an der Kette liegen.

Hunde werden in Griechenland sehr ungleich behandelt: Reinrassige Haustiere werden geliebt, Straßenhunde und Kettenhunde schlecht behandelt. Foto: VETO
Griechenland: In kleinen Schritten Richtung Tierwohl
Trotz eines überarbeiteten Tierschutzgesetzes leben die meisten Vierbeiner in Griechenland unter schlechten Bedingungen: Zahlreiche Straßentiere sind tagtäglich großen Gefahren ausgesetzt und Kettenhunde führen ein erbärmliches Leben ohne ausreichende Versorgung. Tierschützer:innen in Griechenland ist es zu verdanken, dass einige dieser Tiere eine Chance auf ein schönes Leben haben.
Dank des unermüdlichen Einsatzes auf politischer und gesellschaftlicher Ebene findet in kleinen Schritten auch ein Umdenken in der Bevölkerung statt, mehr Mitgefühl für Tiere aufzubringen und Verantwortung für sie zu übernehmen. Das Verständnis von Hunden und Katzen als fühlende Lebewesen und Teil der Gesellschaft, wie es in Ländern wie Deutschland der Fall ist, ist vielerorts in Europa noch nicht derart etabliert. Bis Kastrationspflichten oder das Verbot des Aussetzens von Tieren tatsächlich flächendeckend angewandt werden, ist es noch ein weiter Weg.
Wir von VETO unterstützen die uns angeschlossenen Tierschutzvereine dabei, wirkungsvollen und zukunftsorientierten Tierschutz in Griechenland zu leisten.