Magazin · Tierschutz aktiv · 11. Februar 2023 · 7 Min. Lesezeit
VETO vor Ort: Gemeinsam kämpfen für spanische Jagdhunde
Eine Delegation aus mehreren Tierschutzorganisationen, VETO-Botschafterin Jacky Wruck und dem VETO-Team hat sich in Spanien zusammengefunden, um Eindrücke von der Lage des spanischen Tierschutzes, den Galgos und anderen Jagdhunden zu bekommen. Verbunden hat sie eine gemeinsame Vision: das Leid der Tiere zu beenden.
![Bild](https://www.veto-tierschutz.de/wp-content/uploads/2023/02/VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_2J7A0090.jpg)
Verwahrt zum Ausnutzen: Die Unterbringung der Galgos und anderer Jagdhunde ist schwer zu ertragen. Foto: VETO
Die Begrüßung der Anwesenden mischt sich unter das lautstarke Bellen der Hunde im Refugio. Zahlreiche Galgos stehen in ihren Zwingern und drücken ihre bemerkenswert langen Schnauzen durch die Gitterstäbe. Sie tragen Mäntel, um der Novemberkälte im spanischen Córdoba nicht schutzlos ausgesetzt zu sein. Viele von ihnen haben frische Operations-Nähte und tragen Schutzkragen. Sie sind aufgeregt, als wir das Tierheim Galgos del Sur betreten.
Die Hunde hier sind gut aufgehoben, sie haben einen Namen und sie werden versorgt. In den nächsten Tagen werden wir weitere, weniger erbauliche Orte besuchen und dort die Leidenswege der Galgos verfolgen. Wir sehen die Hilfsangebote, aber wir sehen auch die Orte, an denen das Elend seinen Ursprung hat.
Das Leid sehen, um es zu verstehen
Wir sind eine bunt gemischte Gruppe von Tierschützer:innen, die eine gemeinsame Mission in den spanischen Süden führt: uns bewegt das schreckliche Schicksal der spanischen Jagdhunde. Gemeinsam mit Gudrun Sauter von Tierschutz Spanien e. V., Tina Hartmann und Heidi Bomanns vom Windhundnetzwerk e. V. und mit Model und VETO-Botschafterin Jacky Wruck möchten wir helfen und das Leid der Tiere bekämpfen. Dafür treffen wir uns in Andalusien, dem Zentrum der spanischen Galgueros.
Natürlich wollen wir die Arbeit der Aktivist:innen vor Ort kennenlernen. Darum besuchen wir Vereine, die sich der Hilfe für Galgos verschrieben haben. Die Organisationen sind hier gut untereinander vernetzt, man hilft sich gegenseitig, weil alle mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Es fehlt an Unterstützung, helfenden Händen, an Futter und Geld. Und es fehlt an Gesetzen und öffentlichem Willen, die Jagdhunde zu schützen.
![VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_5763](https://www.veto-tierschutz.de/wp-content/uploads/2023/02/VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_5763.jpg)
Galgos haben ein dünnes Fell und kaum Körperfett, besonders geschwächte Tiere frieren schnell. Foto: VETO
Rennen über die Schmerzgrenze hinweg
Hier bei Córdoba werden jedes Wochenende Treffen veranstaltet, die an Rohheit kaum zu übertreffen sind. Bei den sogenannten Galgorennen hetzen die Galgueros die spanischen Windhunde im freien Feld auf echte Hasen oder Hasenattrappen. Dabei erreicht der Galgo Español eine Geschwindigkeit bis zu 70 km/h in wenigen Sekunden.
Die Rennen finden nicht auf einer Rennbahn statt, sondern führen über offenes, unebenes oder steiniges Gelände. Bei der Hetzjagd gehen Galgos auch über die eigene Schmerz- und Belastungsgrenze hinweg. Wer sich verletzt, dessen Schicksal ist besiegelt. Auch wenn der Hund nicht die erwünschte Leistung bringt, wird er ausgemustert.
Tierleid mit Tradition
Patricia Almansa, die Vorsitzende des Refugio Galgos del Sur, erzählt uns von diesen Events mit traurigem Blick und Zynismus in der Stimme. Galgorennen werden hier seit dem 20. Jahrhundert veranstaltet. Diese vergleichsweise junge Tradition ist es, was den Tierschützer:innen ihre Arbeit so schwierig macht. Ähnlich wie der Stierkampf, werden die Jagd-Veranstaltungen als Kulturgut betrachtet und von einer starken Lobby geschützt.
Bei den Galgorennen gibt es hohe Wetteinsätze und Prestige zu gewinnen. Viele der Anwesenden sind schon in den frühen Morgenstunden auf den Feldern und füllen die Zeit mit Alkohol. Im Rausch schießen einige der Jäger laut Patricia auf alles, was sich bewegt. Besonders beliebt sei das Schießen auf lebende Tauben, doch auch Unfälle mit Personen seien für Einheimische längst keine Überraschung mehr.
![VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_9905](https://www.veto-tierschutz.de/wp-content/uploads/2023/02/VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_9905.jpg)
Galgorennen finden auf steinigem, unebenen Boden im offenen Gelände statt. Die Verletzungsgefahr ist enorm hoch. Foto: VETO
Gezüchtet, um verbraucht zu werden
Mit Beginn der kommerziellen Galgorennen begann die Ausbeutung und Misshandlung der Windhunde. Dieser lukrative Wettbewerb produziert viel Ausschuss an Tieren. Was zu viel ist, muss weg. Die Wirtschaftskrise, in die Spanien 2008 rutschte, ist bis heute nicht überwunden. Ob die Hunde aus wirtschaftlichen Gründen abgegeben werden, oder weil sie nicht mehr für die Rennen taugen, ist nicht immer zurückzuverfolgen.
Der Hund dient den Galgueros üblicherweise als Gebrauchsgegenstand. Galgos werden zuhauf vermehrt und in Massenverschlägen gehalten. Sie werden aussortiert, wenn von Geburt an vermeintliche Defizite erkennbar sind, bei Verletzungen, bei zu schlechter Leistung oder wenn sie älter als durchschnittlich vier Jahre werden. Seit einigen Jahren besteht ein ganz neues Geschäftsmodell, das wir auf unserer Reise mit eigenen Augen zu sehen bekommen: Viele der Galgueros mieten ihre Jagdhunde aus sogenannten Rehalas.
Die Rehalas: Hundemeuten und Geruch von Fäkalien und Tod
In diesen Rehalas werden Galgos in Massen gezüchtet und verwahrt, die Behausungen werden oft illegal betrieben. Als uns die Aktivist:innen vor Ort in eine solche Anlage führen, sind wir fassungslos vor Entsetzen. Aus unüberschaubaren Verschlägen dringen die Geräusche von massenhaft Hunden nach außen. Der Lärm ist ohrenbetäubend, der Geruch beißend. Die Baracken sind mit Brettern vernagelt, dahinter bellen und jaulen die eingesperrten Tiere in der Dunkelheit.
Rehala bezeichnet allgemein die Unterbringung von Hundemeuten. Man erklärt uns, dass diese Baracke mit Absicht blickdicht verkleidet wurde, damit die Jäger sich nicht gegenseitig bestehlen. Hinter den Brettern leben nicht nur Galgos, auch andere Jagdhunde wie Podencos, Bracken, Setter, Pointer oder Bretonen lassen sich durch vereinzelte Lücken erkennen. Auch Tauben und sogar Pferde werden hier auf engstem Raum eingepfercht.
Die Hundemeuten werden oft tage-, manchmal sogar wochenlang sich selbst überlassen und nur sporadisch gefüttert. In manchen Anlagen soll Anbindehaltung verhindern, dass ausgehungerte Tiere sich gegenseitig anfallen. Räude und andere Parasiteninfektionen verbreiten sich schnell. Zur Jagdsaison werden die überlebenden Tiere in Kleintransportern und Viehanhängern zu den Jagdevents transportiert, wo sie sich im Wettbewerb um Preisgelder verausgaben.
Als wir die Anlage über einen schmalen, unbefestigten Pfad verlassen und unser Blick die Umgebung streift, finden wir die unübersehbaren Überreste von vielen Tieren. Die Knochen gehören zu verschiedenen Tierarten, manche davon wurden verfüttert. Darunter mischen sich jedoch auch die Überreste toter Hunde, die im Brachland zwischen Müll und Exkrementen beseitigt werden. Der Geruch von Kadavern und Fäkalien bleibt uns lange in der Nase haften.
Aus der Tötungsstation…
Mit diesen Eindrücken besuchen wir als nächstes die städtische Perrera. Aussortiere Galgos werden teilweise einfach ausgesetzt und sich selbst überlassen. Einige werden auch von ihren Besitzern getötet. Erschießen, erhängen, zu Tode schleifen – besonders barbarische Methoden werden angewendet, wenn Galgueros ihre Ehre nach einer Niederlage wiederherstellen wollen.
Manche von ihnen werden in Auffang- und Tötungsstationen abgegeben. Diese sogenannten Perreras nehmen die zum Teil schwer verletzten und mangelernährten Tiere auf. Manchmal gelingt es, Hunde in bessere Hände zu vermitteln. Die Perreras sind jedoch massiv überfüllt und überlastet, nach einer Frist von 11 bis 28 Tagen werden die nicht vermittelten Hunde getötet.
…auf die Pflegestelle
In der Perrera sitzen unzählige Hunde in Zwingerreihen. Mit der Zeit rücken die Tiere immer eine Reihe weiter nach hinten. Für die hinteren Reihen gilt, dass die Zeit knapp wird. Nicht zuletzt diese Eindrücke sind es, die VETO-Botschafterin Jacky Wruck zum Handeln veranlassen. Sie begleitet uns, um sich für gelebten Tierschutz einzusetzen und möchte selbst auch praktische Hilfe leisten.
Das stellt die gelernte Tierarzthelferin auch eindrücklich unter Beweis: Während wir von VETO noch dabei sind, Bildmaterial zu sichern, wird Jacky bereits aktiv. Zuhause hat sie ein Netzwerk von Tierfreund:innen um sich, ihre Eltern führen eine Tierklinik, ihr Umfeld ist im Tierschutz erfahren. Sie überrascht uns mit einer großartigen Neuigkeit: Zwei Podencos aus der Tötungsstation können ihrem Schicksal entgehen, Jacky konnte ihnen einen Platz im Refugio Galgos del Sur zu sichern. Dort ist allerdings nur eine Zwischenstation. Die zwei Podencos heißen nun Anuva und Dino und werden später auf Pflegestellen in Jackys privatem Umfeld ziehen und von dort aus in ihre neuen Familien vermittelt werden.
![VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_9347](https://www.veto-tierschutz.de/wp-content/uploads/2023/02/VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_9347.jpg)
Jacky Wruck engagiert sich auch privat im Tierschutz. Foto: VETO
„Es ist etwas, was einen emotional sehr übermannt und ich hab bis jetzt noch lange nicht das Schlimmste vom Schlimmsten gesehen. Trotzdem ist es echt belastend. Ich bin extrem wütend auf die Menschen, die den Tieren sowas antun. Und gleichzeitig fange ich noch viel, viel mehr an, dafür zu brennen, dem ein Ende zu setzen.“
Hoffnung für gerettete Galgos
Zurück im Refugio Galgos del Sur versuchen wir, das Gesehene zu verarbeiten. Wir haben das Schicksal der spanischen Galgos erlebt und doch bloß einen Bruchteil der Ausmaße erfahren.
Die Galgos im Refugio hatten Glück, dass sie in einer Auffangstation wie dieser hier gelandet sind. Hier werden sie medizinisch versorgt und aufgepäppelt und können so auch vermittelt werden. Allerdings sind solche Tierheime die absolute Ausnahme, da die nötige Unterstützung fehlt und die Einrichtungen meist völlig überlastet sind. Die Kosten sind hoch, es fehlt an Unterstützung und es kommen jedes Jahr unzählige Tiere nach.
![VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_5960](https://www.veto-tierschutz.de/wp-content/uploads/2023/02/VETO_2023_Spanien_AI_VETO_2023_Spanien_AI_DSC_5960.jpg)
Galgos sind sehr menschenbezogen, sie eignen sich häufig toll als Familienhunde. Foto: VETO
Die Hunde, die hier untergebracht sind, haben viel erlebt. Trotzdem sind sie überraschend zutraulich. Galgos haben einige sehr besondere Eigenschaften, ihr Gemüt ist sanft, sie sind Menschen gegenüber zugewandt und unglaublich verschmust. Wenn sie dort zusammengerollt in ihren Hartschalenbetten liegen, wirken sie fast schon katzenartig. Wir sind sicher, dass wir nicht zum letzten Mal hier vor Ort waren. Und wir werden weiterhin für die Galgos und alle anderen spanischen Jagdhunde kämpfen.