Magazin · Tierschutz aktiv · 16. Juli 2025 · 4 Min. Lesezeit
Tierschutz ist hier nicht erwünscht - die vergessenen Straßenhunde von Myki
Während wir auf unseren Tierschutzreisen ein zunehmend größeres Verständnis der lokalen Bevölkerung – wenn auch in kleinen Schritten – beobachten, ist die Entwicklung in Myki rückläufig. Wir haben mit Christine Laslo gesprochen, die seit 2019 rund um die abgelegene griechische Bergregion aktiv ist.

In Xanthi, unterhalb von Myki, haben die Hunde ein sicheres Zuhause im Shelter. In den Bergen um Myki müssen sie heimlich gefüttert werden. Foto: VETO
VETO: Christine, du warst 2019 zum ersten Mal in Myki. Was hast du damals erlebt?
Christine Laslo, Kastration von Streunern e. V. : Das Wort „Kastration“ gab es damals hier nicht. Die Einheimischen konnten mit dem Wort „Kastration“ gar nichts anfangen. Es hieß „die Natur regelt das“ und das sagen sie nach wie vor.
VETO: Woran liegt das?
Christine: Es hat verschiedene Gründe. Hier in der Region leben hauptsächlich Pomaken, das ist eine völlig isolierte Bevölkerungsgruppe von sunnitischen Muslimen. Die Region war bis in die neunziger Jahre militärisches Sperrgebiet und die Pomaken durften aus diesem Gebiet gar nicht raus. Sie sind fürchterlich arm – sie leben nur vom Tabakanbau und bauen ein bisschen Gemüse an. Hunde sehen sie lediglich als Arbeitsmaschinen – zum Schafe hüten und jagen.
VETO: Wie schrecklich. Ihr habt es dennoch geschafft, 2019 rund 500 Hunde in Myki zu kastrieren.
Christine: Der damalige Bürgermeister bat uns um Hilfe. Die Einheimischen haben uns damals angesehen wie Außerirdische, weil wir uns um die Hunde gekümmert haben. 2020 wurde ein neuer Bürgermeister gewählt und unser Verein bekam keine Erlaubnis mehr, die Tiere weiter zu kastrieren.
VETO: Tierschutz ist hier also nicht erwünscht. Das war vor 6 Jahren – hat sich seitdem was geändert?
Christine: Leider nicht. Seit 2020 gibt es in Myki einen Tierarzt, der kostenlos Privattiere kastriert – die Leute kommen nicht. Ein einziger Bewohner hat seinen Hund zur Kastration gebracht. Gleichzeitig gibt es immer mehr Straßentiere, weil die Leute aus den anderen Dörfern ihre Tiere hier aussetzen. Die Region ist sehr groß und gleichzeitig sehr bevölkerungsarm. Ich würde sagen, hier leben rund 15.000 Menschen und die Zahl von Straßenhunden wird auf ungefähr 2.500 geschätzt.
VETO: Das ist eine hohe Zahl. Wer versorgt die Tiere?
Christine: Über die Jahre hat unser deutscher Verein Futter finanziert, um wenigstens hier ein wenig helfen zu können. Aber leider ist es uns seit diesem Jahr finanziell nicht mehr möglich. Der einheimische Tierarzt geht abends heimlich füttern, weil er Angst hat, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, wenn er dabei gesehen wird.
VETO: Das klingt nach einer ausweglosen Situation. Was gibt dir trotzdem Hoffnung?
Christine: Die wenigen jungen Leute in der Region haben ein bisschen ein Auge drauf, was mit den Hunden passiert. Es gibt hier ja auch harte Strafen für Tierquälerei: 10 Jahre Gefängnis und bis zu 50.000 Euro Strafe, meine ich. Nur werden die Strafen nicht durchgesetzt. Wir hatten lediglich einen Fall in 2020. Da hat hier ein Jäger seiner Hündin ganz fürchterlich zugesetzt, und der örtliche Tierarzt hat gemeinsam mit der Polizei Anzeige erstattet und der Mann wurde bestraft. Da muss einfach viel mehr passieren. Seit einem Jahr gibt es einen neuen Bürgermeister, der offen für ein Gespräch mit uns ist. Und der örtliche Tierarzt ist bereit, für uns zu kastrieren, sobald er die Genehmigung vom Bürgermeister bekommt. Das gibt mir Hoffnung, denn wir würden diesen Tieren so gerne helfen. Sie haben wirklich ein schreckliches Leben.
VETO: Mit unserer Kampagne Futter für die Vergessenen geht es uns genau um diese vergessenen Tiere. Im Sommer ist die Situation noch schlimmer. Mit welchen Herausforderungen kämpft ihr jetzt, wenn in Griechenland Urlaubssaison ist?
Christine: Wir haben gerade 85 Hunde im Shelter und für die Hunde gibt es kein Dach über dem Kopf. Wir haben nur improvisierten Sonnenschutz und es ist furchtbar heiß hier in der Urlaubssaison. Wir haben im Sommer noch mehr verletzte Hunde, da es durch die Touristen mehr Autoverkehr gibt. Es gibt jeden Sommer ein riesiges Spendenloch. Gleichzeitig werden noch mehr Tiere ausgesetzt und uns fehlt das Geld für Tierärzte und Futter. Wir müssen mit Brot zufüttern, wenn die Hunde nicht verhungern sollen. Es ist eine Zeit, in der wir wirklich dringend Unterstützung brauchen.

Vielen Dank an Christine Laslo für das Interview! Foto: VETO
Mit unserer Kampagne Futter für die Vergessenen leisten wir gezielt Unterstützung in genau diesen Regionen, in denen der Sommer zur Bedrohung für die Straßentiere werden kann. Wenn die Spendengelder zur Urlaubszeit auf den Tiefpunkt sinken, springen wir ein. Hilf mit und sorge für Futter, Schattenplätze, Medikamente und Kastrationen, dort wo sie jetzt am dringendsten gebraucht werden.