Magazin · Tierschutz aktiv · 16. Juli 2025 · 5 Min. Lesezeit
Die unsichtbaren Straßentiere von Griechenland – VETO vor Ort
Sengende Hitze, Wassermangel, kaum Futter und ideale Bedingungen für Parasiten und Krankheitserreger. Gleichzeitig ist der Sommer die Zeit, in der am wenigsten gespendet wird. Wir waren in Griechenland, um zu dokumentieren, wie wichtig Tierschutz gerade in der Urlaubssaison ist.

In den Seitenstraßen der Urlaubsorte suchen die Straßenhunde nach Schatten und Futter. Foto: VETO
„Die Hotspots in den Urlaubsorten werden aufgeräumt. Erst in den Seitenstraßen und auf dem Land sieht man das ganze Elend der Straßentiere.“
Trajan Trosev, VETO
Jedes Jahr im Frühsommer, bevor die Touristen kommen, werden ganze Küstenstriche in den populären Urlaubsorten von Straßenhunden gesäubert. So auch in Griechenland. In der bekannten griechischen Urlaubsregion Chalkidiki werden laut Tierschützern vor Ort die Hunde von Einwohnern vergiftet oder in die Berge gebracht und dort weit abgelegen ihrem Schicksal überlassen. Das gleiche Schicksal erfahren die Hunde in Avdira in der Region Xanthi. In dem beschaulichen Küstendorf machen im Sommer viele Athener Urlaub – Straßenhunde passen da nicht ins Bild.
„In Avdira werden sehr viele Hunde ausgesetzt. Ich weiß nicht, warum, aber es gibt dort ein massives Aussetzen, und irgendwann fangen die Einheimischen dann an, die Tiere zu vergiften.“
Christine Laslo, Kastration von Streunern e. V.

In den Seitenstraßen haben wir auf unserer Reise überall ausgesetzte Hunde auf Futtersuche im Müll gesehen. Foto: VETO
Ein unfassbares Verhalten, obwohl der Bürgermeister von Avdira viel für die Straßentiere tut – „so, wie er es finanziell irgendwie schafft,“ meint Christine, die sich seit 2019 in der Region aktiv für den Tierschutz einsetzt. Avdira ist kein Einzelfall. Auch in der Stadt Xanthi werden Straßenhunde nicht gerne gesehen. Eva Gonzáles Carro von Christines griechischem Partnerverein Adespotoi Filoi Xanthis bekommt oft Anrufe von der Stadt Xanthi oder von Einwohnern, die Hunde im Stadtzentrum oder in Parks melden. „In der Regel sind das friedliche Tiere“, betont die Tierschützerin, „doch sie sollen trotzdem verschwinden.“

Bei unserer Tierschutzreise Anfang Juni gab es noch Hunde in den griechischen Urlaubs-Hotspots. Zu Beginn der Hauptsaison werden diese Hunde verschwunden sein – vergiftet oder in den Bergen zum Sterben ausgesetzt. Foto: VETO
Aufklärung für mehr Verständnis der Einheimischen
Kastration wäre hier die nachhaltige und humane Lösung, aber auch hier gibt es Probleme, denn ein Großteil der lokalen Bevölkerung will die Tiere nicht kastrieren lassen – obwohl vor allem die Zahl der Katzen überwältigend hoch ist. Sie vermenschlichen die Tiere und wünschen sich, dass sie zumindest einmal im Leben Nachwuchs bekommen. Diese Einstellung der Einwohner hat das VETO-Team auf der Reise selbst erlebt: „Wir haben mit einem älteren Paar geredet und die Frau hat sich lange dagegen gesträubt, ihre Katze kastrieren zu lassen,“ so Trajan.
Aus dem Grund ist Aufklärungsarbeit auch hier so wichtig. Christine organisiert mit Hilfe ihres Partnervereins immer wieder Veranstaltungen in Schulen und Kindergärten: „Ganz viele freiwillige Helfer halten Vorträge vor Ort, auch für Kinder und Jugendliche. Wir gehen in Kindergärten und haben Lehrer als Ehrenamtliche, die das Thema ‚Tierschutz‘ kindgerecht in den Unterricht einbringen.“
Die Aufklärungsarbeit wirkt – wenn auch langsam. Eva erzählte uns von einzelnen Fällen, bei denen Locals die Vorteile der Kastration erkennen (beispielsweise weniger Revierkämpfe) und auch Christine bemerkt ein Umdenken, seit ihren Anfängen vor sechs Jahren: „In der ganzen Gegend hat sich seit 2019, wo wir hier angefangen haben zu helfen, schon einiges gebessert,“ betont sie. Ihr Verein hat ein dauerhaftes Kastrationsprogramm: „Unser fester Grundsatz ist, jeden Tag ein Tier“. Zusammen mit der Stadt Xanthi hat der Verein dieses Jahr mit der Kastration von 300 Katzen und 350 Hunden ein umfassendes Programm geplant: „Sobald der offizielle OP-Bereich unter Einhaltung offizieller Vorgaben ausgestattet ist, geht es in Kooperation mit der Gemeinde los.“
Sonderfall Sommer
Der Sommer ist für die Tiere eine harte Zeit: Parasiten und Krankheitserreger verbreiten sich bei den ohnehin durch Nährstoff- und Wassermangel geschwächten Tieren durch die heißen Temperaturen noch schneller und führen schlimmstenfalls zum Tod.
„Der größte Posten für uns ist Futter. Danach kommen Zeckenmittel und andere Medikamente. Wir brauchen dringend Unterstützung, denn es ist einfach nie genug.“
Eva Gonzáles Carro, Adespotoi Filoi Xanthis
Auch die Arbeit der engagierten Tierschützenden vor Ort ist in der Hauptsaison noch beschwerlicher als sonst. Bereits Anfang Juni war die Hitze in der Region für uns fast unerträglich. Kaum vorstellbar, wie es im Juli und August ist. Während die Touristen dann ihren Urlaub am kühlen Meer genießen, sind die Tierschützerinnen am Ende ihrer Mittel und Kapazitäten und geben alles – trotz andauernder Hitze, improvisierter Bedingungen und fehlender Mittel.
„Wir haben viele ältere Ehrenamtliche, deren Körper das schwer verkraften, wenn sie bei dieser Hitze, bei 40 Grad und mehr, immer im Tierheim sind. Und das Spendenloch im Sommer spüren sie ja auch. Es ist eine fürchterliche Zeit für sie. Aber sie tun das für die Tiere.“
Christine Laslo, Kastration von Streunern e. V.
Hundewelpen sind besonders gefährdet, und auch auf dieser Reise sind wir auf einen schwer verletzten Welpen gestoßen, der ignoriert von Anwohnern und Passanten auf dem Gehweg lag. Dank des sofortigen Einsatzes von Richarda von Tierfreunde Griechenland e. V. und Aliki Tsohataridou Aggeliki vom lokalen Tierschutzverein A hug for the strays konnten wir den Welpen in eine Klinik bringen und sein Leben retten. Ohne sie wäre der Welpe gestorben.
„Im Sommer sind die Spenden sehr niedrig und gleichzeitig finden wir mehr Hunde, weil mehr von ihnen von Autos angefahren werden. Wir haben also weniger Spenden und mehr Ausgaben. Außerdem gibt es im Sommer viele Welpen, die bei uns abgegeben werden. Der Sommer ist immer sehr hart für uns. Auch weil wir wissen, dass wir erst wieder im September Spenden bekommen, wenn die Urlaubssaison vorbei ist.“
Eva Gonzáles Carro, Adespotoi Filoi Xanthis
Auf dem Weg zu mehr Verständnis und Mithilfe
Die Einstellung und Mithilfe der Bevölkerung hat sich laut Christine auch in dieser Hinsicht bereits verändert, und Einwohner halten im heißen Sommer ihre Augen offen für die leidenden Straßentiere: „Ich habe jetzt mitbekommen, dass die Leute in der Hitze ihre Treppenhäuser auflassen, so dass die Hunde untertags in den Flur können. Es gibt Ladenbesitzer, die die Hunde in ihre Läden lassen und in manchen Lebensmittelgeschäften dürfen die Hunde vorne am Eingang im klimatisierten Bereich liegen.“
Ein kleiner Lichtblick, aber es braucht viel mehr. Wie können wir jetzt helfen? Indem wir weiterhin für Aufklärung sorgen und jetzt die vergessenen Straßentiere unterstützen, die unsere Hilfe im Sommer ganz besonders benötigen. Für Futter, medizinische Versorgung, Kastrationen und Schattenplätze.