Magazin · Tierschutz aktiv · 18. August 2025 · 5 Min. Lesezeit
Parvovirose – die stille Todesgefahr für Welpen
Parvovirose, kurz „Parvo“ – wer VETO schon länger folgt, weiß, dass die Krankheit uns auf jeder Tierschutzreise begegnet. Auch in Griechenland haben wir einen mit Parvo infizierten Welpen gefunden. Warum ist das Virus besonders bei Welpen lebensgefährlich und wie meistern unsere Partnervereine die Herausforderungen?

Parvo führt ohne Behandlung bei rund 90 Prozent der infizierten Hunde zum Tod. Besonders gefährdet sind Welpen. Foto: VETO
„Parvo ist für uns eines der größten Probleme im Tierheim. Wenn das Virus eingeschleppt wird, stehen wir vor riesigen Herausforderungen. Die Krankheit ist hoch ansteckend und vor allem für Welpen tödlich. Leider fehlt uns aktuell eine richtige Quarantänestation. Wir haben zwar zwei kleine Gebäude als provisorische Krankenstationen, aber keinen separaten Bereich für infektiöse Tiere. Das ist extrem riskant.“
Richarda Borkenstein, Tierfreunde Griechenland e. V.
Parvovirose, verursacht durch das Canine Parvovirus Typ 2, ist neben Leishmaniose eine der Krankheiten, mit denen unsere Partnervereine fast täglich konfrontiert werden. Parvo tritt meist sehr plötzlich auf, mit typischen Symptomen wie starkem, häufig blutigem Durchfall, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Lethargie, Fieber oder Untertemperatur. Auch in Deutschland tritt Parvo auf – jedoch vereinzelt, da Welpen ab dem Alter von sechs bis acht Wochen beim Tierarzt grundimmunisiert werden.
Besonders gefährdet sind Jungtiere, die innerhalb weniger Tage an der Infektion sterben können – so haben wir auch auf unserer Tierschutzreise in Griechenland im Juni einen Welpen mit Parvo gefunden: Apollo. Zusätzlich zu der Viruserkrankung war Apollo schwer verletzt und wir konnten sein Leben nur dank der Hilfe von Aliki von A hug for the strays und Richarda von Tierfreunde Griechenland e. V. retten. Ein infizierter Welpe ist leider keine Ausnahme, sondern die Regel, wie Richarda bestätigt:
„Wir haben einmal vier Welpen am Strand gefunden, mutterseelenallein. Alle mit Parvo. Sie kamen sofort an den Tropf. Sie hatten Durchfall, waren schwer krank. Drei von ihnen haben es nicht geschafft. Das alles haben wir selbst gemacht, weil wir uns einen Tierarzt nicht leisten können.“
Richarda Borkenstein, Tierfreunde Griechenland e. V.
Welpen sind durch ihre schnell teilenden Zellen und ihr unvollständig entwickeltes Immunsystem besonders gefährdet, so Tierärztin Dr. Verena Johann-vor-der-Brüggen aus Heinsberg: „Solche Zellen haben Jungtiere eben – und das Virus ist darauf angewiesen. Und jüngere Welpen, so zwei bis drei Wochen alt, können an Myokarditis sterben, weil Herzmuskelzellen sich sehr schnell teilen. Der Welpe stirbt dann innerhalb von zwei bis drei Tagen.“
Infizierte Hunde müssen Infusionen bekommen, um Nährstoffverlust und Dehydration aufgrund von Durchfällen entgegenzuwirken. Das ist sehr aufwendig und teuer, weshalb manche Tierschützende sich die Expertise selbst aneignen: „Aliki, eine unserer Freiwilligen, hat gelernt, wie man Infusionen legt – obwohl sie anfangs große Angst davor hatte. Ich selbst kann das nicht,“ so Richarda.
Apollo hätte den Tierschützerinnen in Griechenland zum Verhängnis werden können: „Wir haben ihn wegen seiner Verletzungen in eine Klinik gebracht, aber dort wurde kein Parvotest gemacht. Später stellte sich heraus, dass er infiziert war,“ kritisiert Richarda. Ein solches Fehlverhalten kann schwerwiegende Folgen haben, denn mit der Rettung eines infizierten Tieres kommt die nächste Herausforderung für die Tierschützenden: Das Virus ist hochansteckend und wird durch direkten Kontakt mit infizierten Hunden, infiziertem Kot oder kontaminierten Gegenständen (Futternäpfe, Fußböden, Kleidung, usw.) übertragen. Das Virus kann 12 Monate lang in infektiösem Kot überleben. Daher ist es wichtig, dass infizierte Hunde nicht in Tierheime gebracht werden, in denen es keine Quarantänemöglichkeiten gibt, so Richarda: „Unser größtes strukturelles Problem ist das Fehlen einer professionellen Quarantänestation. Wir bräuchten einen separaten Raum oder ein Gehege mit einem desinfizierbaren Boden. So etwas fehlt uns bisher.“
Das ist in vielen Sheltern unserer Partnervereine der Fall – auch in Rumänien bei AriPaws fehlten bislang Quarantänemöglichkeiten, die zum qualvollen Tod vieler Tiere mit Parvo oder Staupe geführt haben: „Wir können ihnen nicht wirklich helfen. Und die Kliniken nehmen infizierte Hunde nicht auf,“ so Ioana von AriPaws. Im Shelter, das sich dank Spendengeldern der VETO-Rettungsmission Giurgiu im Bau befindet, hat eine professionelle Quarantänestation daher oberste Priorität.
Gerettete Hunde müssen unbedingt getestet werden, damit sich die widerstandsfähige Krankheit nicht verbreitet. Sollte es dennoch passieren, dass ein Hund mit Parvo in ein Shelter kommt, ist schnelles und gründliches Handeln gefragt, betont Richarda: „Wir haben inzwischen ein spezielles Desinfektionsmittel, mit dem wir Flächen besprühen. Innenräume mit Betonboden können wir reinigen, aber außen haben wir nur Erdboden. Und wenn der kontaminiert ist, bekommt man das Virus kaum wieder raus.“
Touristen, die in den populären griechischen Urlaubsregionen die Tierschutzvereine kontaktieren, können dann laut Richarda oft nicht nachvollziehen, warum sie keine Tiere mehr aufnehmen: „Bei uns gab es mal einen massiven Ausbruch. Wir haben Hunde aus Gebieten aufgenommen, die komplett mit Parvo verseucht waren. Die Hunde haben sich alle angesteckt. Das war furchtbar. Neue Hunde konnten wir in dieser Zeit nicht mehr aufnehmen. Wenn uns jemand angerufen hat und ich gesagt habe: ‚Bitte lasst einen Parvo-Test machen‘, wurde ich nicht verstanden. Manche Anrufer machten mir Vorwürfe: ‚Was seid ihr für eine Organisation?‘ Aber wir mussten abwägen, wohin wir die Hunde bringen. Ohne Quarantänemöglichkeiten geht es einfach nicht.“

Eine professionelle Quarantänestation hat im Neubau für AriPaws in Rumänien oberste Priorität. Foto: VETO
Die Zusammenarbeit mit anderen Tierschutzvereinen ist laut Richarda leider häufig schwierig: Oft herrscht Egoismus. Aber im Notfall, wie bei Parvo-Ausbrüchen wird gezielt nach Hilfe gefragt und die Shelter unterstützen sich gegenseitig. Parvo gab es schon immer, aber der Virus scheint laut Richarda aggressiver geworden zu sein: „Von zehn Straßenwelpen überleben manchmal nur zwei – die Krankheit ist brutal.“ Ein erkrankter Welpe braucht nicht nur Quarantäne, sondern auch intensive Pflege, um eine Überlebenschance zu haben. Er muss isoliert, gepflegt, intravenös ernährt und überwacht werden. Das ist aufwendig und viele Organisationen haben weder die Kapazitäten noch das Geld. Sobald der Zustand stabil ist, erfolgt ein langsamer Aufbau mit leicht verdaulicher Schonkost.
Was sind die nachhaltigen Lösungsansätze? Es gibt einen wirksamen Impfstoff gegen Parvovirose und eine Impfung ist laut Dr. Johann-vor-der-Brüggen ab dem Welpenalter unbedingt empfehlenswert. Die Grundimmunisierung beginnt im Alter von 6 bis 8 Wochen, wird in der 12. und 16. Lebenswoche wiederholt, und eine Auffrischung erfolgt nach 15 Lebensmonaten, später je nach Impfstoff alle ein bis drei Jahre. Ein Game Changer wurde laut der Tierärztin kürzlich entwickelt: Monoklonale Antikörper, die die Rezeptoren blocken, an die sich das Parvovirus heftet. „Das ist eine super Therapie. Ich selbst habe noch keine Erfahrung damit, aber laut klinischen Studien steigt damit das Überleben über 93 Prozent.“
Besonders von der Krankheit betroffen sind Tiere aus illegalem Welpenhandel, die unwürdigen und unhygienischen Lebensbedingungen ausgesetzt sind und nicht geimpft werden. Umso wichtiger, dass im Juni ein Gesetzesentwurf vorgelegt wurde, der EU-weite Mindeststandards für die Unterbringung und die Zucht von Hunden festlegt. Denn obwohl Parvovirose eine der schwerwiegendsten Infektionskrankheiten beim Hund ist, lassen sich Ausbrüche und Verbreitung durch regelmäßige Impfungen ab dem Welpenalter (hier hilft VETO mit Spendengeldern für medizinische Versorgung), verantwortungsbewusste Hundehaltung (VETO hilft den Sheltern mit Geldern für Baumaßnahmen) und sorgfältige Hygiene gut vermeiden, so dass es nicht zu einem Kampf um Leben und Tod wie bei Apollo kommen muss.