Magazin · Tierschutz aktiv · 01. August 2025 · 6 Min. Lesezeit
Zwischen Hitzewelle und Waldbränden: wie Tierheime in Südeuropa dem Sommer standhalten
Extreme Hitze, Brände, Überschwemmungen: Tierschutzvereine in Südeuropa kämpfen unter Extrembedingungen um jedes Leben. Unser Artikel zeigt, wie sie sich vorbereiten, Krisen überstehen und warum ihre Arbeit der letzte Hoffnungsschimmer für Straßentiere ist.

Die Hitzewelle verschlimmert die Lebensumstände für Straßentiere drastisch. Foto: VETO
Die Situation in diesem Sommer
Südeuropa erlebt aktuell einen der dramatischsten Sommer seit Jahrzehnten. Hitzewellen mit Rekordtemperaturen bis zu 45 Grad, anhaltende Trockenheit und extreme Winde haben vielerorts zu unkontrollierbaren Bränden geführt – mit verheerenden Auswirkungen für Mensch und Tier. Besonders betroffen sind Länder wie Griechenland, Zypern, Italien und Bulgarien.
Diese Entwicklungen treffen auch die Tierheime mitten ins Herz – auch in den Regionen, in denen unsere Partnerorganisationen aktiv sind:
- In Griechenland wurden binnen kürzester Zeit über 50 Brandherde registriert. Auch Touristenorte blieben nicht verschont. Auf Kreta, Evia, Kythira und in Vororten von Athen kam es zu massiven Bränden.
- Zypern erlebt die verheerendsten Brände seit 50 Jahren: Mehr als 46 km² sind verbrannt, hochsommerliche Hitze bis 44 °C und starke Winde erschweren die Lage.
- In Italien, besonders auf Sardinien, mussten Badegäste fliehen, als Flammen bis zum Strand reichten; Hubschrauber und Küstenwache evakuierten über 100 Menschen.
- Rund 100 Feuer wurden in Bulgarien gemeldet, besonders betroffen ist die Region Strumyani. Mehrere Orte mussten evakuiert werden, eine internationale Löschhilfe ist im Einsatz.
Doch auch abseits der Flammen ist der Sommer eine lebensbedrohliche Herausforderung. In vielen Regionen steigen die Temperaturen auf über 40 Grad, ohne Sicht auf Abkühlung und mit wachsender Brandgefahr. Für Tiere auf der Straße und in schlecht ausgestatteten Tierheimen bedeutet das: permanenter Ausnahmezustand.
Straßentiere bleiben zurück
Glühender Asphalt, flirrende Luft, kein Tropfen Wasser in Sicht. In vielen Regionen Südeuropas herrscht für Straßentiere derzeit ein lebensfeindliches Klima. Die Temperaturen klettern auf über 40 Grad, Asphaltflächen heizen sich auf über 60 Grad auf. Für viele Hunde und Katzen bedeutet das: Hitzschlag, Dehydrierung, schwere Verbrennungen an den Pfoten. Besonders Jungtiere, alte und kranke Tiere sind extrem gefährdet.

Brände wie dieser sind keine Seltenheit in Südeuropa und bedrohen Jahr für Jahr das Leben zahlreicher Straßentiere. Foto: VETO
Schattenplätze sind Mangelware, ausgetrocknete Wasserstellen bieten keine Abkühlung mehr. Der aufgeheizte Untergrund verbrennt ihre Pfoten. Hinzu kommen Rauch und Staub, die die Atemwege belasten und Kreislaufprobleme auslösen. In dieser Hitze sind Dehydrierung und Hitzschläge keine Seltenheit. Tiere kollabieren oft, bevor Hilfe sie erreicht.
Während Menschen evakuiert werden, bleiben Straßentiere zurück.
„Die Auswirkungen sind dramatisch“, sagt Ingo Sichardt vom Verein Zenias Tiere e. V. „Tierschützende müssen die Arbeit auf die Morgen-, Abend- und Nachtstunden verlegen, da es ab 10 Uhr fast unmöglich ist, Tiere auf der Straße zu versorgen. Sie sind permanent unterwegs, um Futter und Wasser an den Futterstellen aufzufüllen.”
Die Hitze hat noch andere Folgen, weiß der Tierschützer: „Viele Tiere verstecken sich tagsüber im Schatten, somit bleiben hier auch wichtige Kastrationen aus und medizinische Notfälle werden nicht entdeckt.“
Tierheime: letzte Zuflucht – und selbst in Gefahr
Für viele verletzte, dehydrierte oder orientierungslose Tiere sind Tierheime der einzige Ort, an dem sie Schutz und Versorgung finden. Doch auch diese Zufluchtsorte stehen unter enormem Druck, denn vielerorts geraten sie durch Brände, Hitze und Infrastrukturversagen selbst an ihre Grenzen.
Entsprechend verändert sich die Arbeit im Shelter. Um der Hitze entgegenzuwirken und sich auf Brände vorzubereiten, ziehen sie Brandschneisen, erstellen Notfallpläne, arbeiten nachts – und hoffen, dass es reicht.
Auch in Xanthi, Griechenland, leiden Mensch und Tier unter der Hitze. Vor zwei Jahren sorgten hier schwere Brände für Verwüstung, damals stand das Shelter von Christine kurz vor der Evakuierung. Die Angst vor Waldbränden sitzt tief. Die Stadt überwacht die örtlichen Waldgebiete mit einer Drohne. Für Menschen herrscht hier aufgrund der Brandgefahr Betretungsverbot. Das Tierheim des Vereins Kastration von Streunern e. V. versucht mit Bettlaken und Planen notdürftig Schatten zu schaffen, und mit den Tieren mit selbst gebuddelten Wassergruben Abkühlung zu verschaffen. Ehrenamtliche versorgen Straßentiere mit Wasser.

Mit provisorischen Lösungen versuchen die Tierschützenden die Tierheime vor den Auswirkungen der Hitzewelle zu wappnen. Foto: Kastration von Streunern e. V.
Etwa 85 Kilometer weiter bei Tierfreunde Griechenland e. V. in Mirtofito macht man sich auf alles gefasst: Das Team hat bereits eine Brandschneise um das Shelter gezogen. „In Griechenland sind schon viele Brände und die Sorge steigt täglich, dass es auch uns erwischt“, sagt Richarda Borkenstein.
Kämpfen mit einfachsten Mitteln
Die tägliche Arbeit unter Extrembedingungen bringt Tierheime wie das in Thessaloniki an ihre Grenzen (VETO berichtete). Hitze, Rauch, knappe Ressourcen: Vieles wird nur durch Improvisation möglich. Die Tierschützerin vor Ort versucht, mit Ventilatoren, feuchten Handtüchern und selbst gebuddelten Kuhlen zumindest minimale Kühlung zu schaffen. Doch selbst diese Maßnahmen stoßen schnell an ihre Grenzen – besonders, wenn Wasser fehlt oder schlichtweg verdunstet. Eine nachhaltige Lösung ist in weiter Ferne, erklärt Ingo Sichardt von Zenias Tiere e. V..
Die Gefahr durch Brände rückt für viele Tierschützende bedrohlich nah. Ingo schildert die Lage: „Feuer waren nur wenige Kilometer entfernt – und wenn der Wind sich dreht, brennt das Gelände. Das kann in Minuten passieren.“ Schon in der Vergangenheit stoppte ein Waldbrand nur 30 bis 50 Meter vor dem Tierheim. Ein geordneter Evakuierungsplan? Praktisch nicht existent. Im Ernstfall bleibt nur, operativ zu improvisieren – und zu hoffen, dass man rechtzeitig reagieren kann. Doch mit wenigen Boxen, einem kleinen Auto und kaum sicheren Unterkünften für die Tiere ist eine koordinierte Evakuierung nahezu unmöglich.
Zypern: Tierschutz im Katastrophengebiet
Während in Griechenland die Vorbereitungen laufen, ist Zypern bereits mitten in der Katastrophe. Bettina Kächele vom Verein Zukunftswerkstatt Tierschutz e. V. steht in engem Austausch mit Tierschützenden vor Ort und schildert den Ernst der Lage:
„Leider hat das schlimmste Feuer seit 50 Jahren extremen Schaden angerichtet. Rund um Limassol, unserem Haupteinsatzgebiet, sind ganze 24 Ortschaften praktisch niedergebrannt. Es ist so gut wie alles zerstört – Privathäuser, Ferienwohnungen, die Natur. Da steht kaum noch etwas.“
Die Lage vor Ort ist unübersichtlich. Tierschützende und Freiwillige sind im Dauereinsatz. Am Rande der verbrannten Gebiete werden Behälter mit Wasser und Trockenfutter aufgestellt, damit traumatisierte Tiere, die sich irgendwann aus der Deckung trauen, nachts trinken und fressen können.
Tierkliniken bieten kostenlose Behandlungen für Brandopfer an, aber bei der großen Anzahl an verletzten Tieren ist die Situation kaum zu bewältigen. „Zehntausende Tiere sind verbrannt und viele wurden verletzt. Jetzt suchen wir händeringend nach Pflegestellen. Aber so viele, wie wir bräuchten, gibt es einfach nicht“, schildert Bettina Kächele verzweifelt.

Zahlreiche Tiere müssen nach den Bränden medizinisch behandelt werden. Foto: VETO
Tierschützende sind am Limit
Tierschützende kämpfen an allen Fronten und stoßen längst an ihre körperlichen und seelischen Grenzen.
Bettina kann die Bilder aus Zypern nicht vergessen: „In Limassol sind unzählige Hunde verbrannt, viele davon angekettet auf den Grundstücken ihrer Besitzer. Die Leute wollten noch nach Hause, kamen aber wegen gesperrter Straßen nicht rechtzeitig durch. Die Tiere waren festgebunden und hatten keine Chance. Es gibt genug Bilder, auf denen nur noch das Skelett an der Kette zu erkennen ist. Das ist einfach nur schrecklich.“
Doch auch wenn die Brände gelöscht sind, bleibt keine Zeit zum Aufatmen – denn das nächste Extremwetter lässt nicht lange auf sich warten.
Das Gelände des Partnertierheims seines Vereins nahe Thessaloniki wurde nach tagelanger Rekordhitze und darauffolgendem heftigen Regen geflutet. „Gestern waren es über 40 Grad – heute steht das Gelände unter Wasser. Die Tierschützerin ist am Ende“, berichtet Ingo Sichardt.
„Eine solche dramatische Lage gab es bisher nicht. Auch die menschliche Anstrengung ist fast unerträglich,” weiß Ingo.
Diese Wetterkapriolen sind keine Ausnahmeerscheinung: Bereits im vergangenen Winter wurde dasselbe Tierheim überschwemmt und dann notdürftig repariert, mit Unterstützung von VETO. Doch bauliche Schutzmaßnahmen sind finanziell nicht umsetzbar. Ein neues Gelände wurde bereits gefunden, liegt höher und wäre sicherer, doch der Bau stockt seit zwei Jahren. Es fehlt am Geld.
Was dieser Sommer bedeutet, spürt man in jedem Satz. Tierschutzvereine kämpfen gegen Flammen, Hitze und Verzweiflung und für jedes einzelne Leben. In einem Sommer voller Gefahren werden Tierheime in Südeuropa zu Rettungsinseln.
Wie VETO hilft
Während die Not täglich wächst, sorgt VETO gemeinsam mit Partnervereinen in Südeuropa für schnelle und gezielte Unterstützung. Unsere Kampagne Futter für die Vergessenen sichert die Grundversorgung in der Krise mit lebenswichtiger Hilfe dort, wo sie jetzt am dringendsten gebraucht wird:
- Medizinische Erstversorgung für verletzte Tiere, zum Beispiel bei Verbrennungen, Hitzeschäden oder Erschöpfung.
- Wasser und Kühlung, etwa durch Kanister, Tränken, Ventilatoren oder Schwimmbecken.
- Futterspenden, die Tiere aufpäppeln und geschwächte Körper stärken.
- Infrastrukturunterstützung dank Schattenplätzen, Zäunen, Wasserleitungen – alles, was die Versorgung in diesem Sommer möglich macht.
Mit unserer Kampagne Futter für die Vergessenen leisten wir gezielt Hilfe in Regionen, in denen der Sommer zur Überlebensfrage wird. Jetzt braucht es Futter, Wasser, medizinische Hilfe und Schutz vor der Hitze.