Magazin · Tierschutz aktiv · 04. Mai 2021 · 10 Min. Lesezeit
„Alte Tiere bereichern und schenken so viel Liebe“
Als Pferdefotografin Alexandra Evang Cockerspaniel Micky aufnahm, war die Hündin schon elf Jahre alt. Vor drei Jahren kam dann Junghündin Nalani dazu. Heute sind die beiden Vierbeiner gerade wegen ihres Altersunterschieds ein tolles Team.
Im Interview erklärt uns Alexandra Evang, wieso man ein altes Tier adoptieren sollte und warum Junghund und Hundesenior voneinander profitieren. Foto: Alexandra Evang Photographie
Wie alt war Micky als du sie adoptiert hast und wie bist du auf sie aufmerksam geworden?
„Micky war 11 Jahre. Gefunden habe ich sie durch Zufall auf Facebook über den Verein CoSeNot e.V., den ich abonniert habe. Dieser Name steht für Cockerspaniel und Setter in Not. Sie war sechs Monate auf der Pflegestelle, ohne einen einzigen Interessenten. Heute würden sie vermutlich sämtliche Menschen mit Kusshand nehmen.
Sie ist eine Löwin mit einem riesengroßen Herz! Denn Micky hatte es in ihrem Leben vor uns nicht leicht gehabt: neun lange Jahre wurde sie bei einem französischen Vermehrer ausgebeutet und war halb verhungert, bis sie gerettet wurde. Bei ihrer Anzeige wusste ich sofort, dass sie mein Hund ist.“
Micky und Nalani am Meer in Holland. Mehr von ihren Abenteuern findet man bei Instagram unter @diefotografenhunde. Foto: Alexandra Evang Photographie
Warum hast du dich damals für sie entschieden und nicht für ein junges Tier oder einen Welpen?
„Für uns – meinen Mann Marko und mich – wäre ein Welpe oder Junghund einfach nicht in Frage gekommen. Ich hatte schon immer ein Herz für die, die es vielleicht nicht so leicht haben. Und unter uns: Eigentlich war zu der Zeit generell gar kein Zweithund geplant, wir hatten zu der Zeit nämlich auch noch Nelly, damals war sie zwölf Jahre alt.
Ich kam aber einfach gedanklich nicht von „Vicky“, wie Micky damals hieß, los, immer wieder habe ich ihren traurigen Blick auf dem Foto betrachtet. Ich musste sie einfach kennen lernen. Beim Besuch auf der Pflegestelle brachen dann alle Dämme und die Tränen liefen. Sie hat uns einfach sehr berührt und das tut sie auch heute jeden Tag. Liebe auf den ersten und millionsten Blick!“
Wenn ihr aber keinen Welpen wolltet, wie kam es dazu, dass ihr Nalani adoptiert habt? Und wie haben sich dann Micky und Nalani kennengelernt?
„Als Nelly im Januar 2018 starb brach für uns eine Welt zusammen. Mit ihr bin ich aufgewachsen, wir kannten uns in- und auswendig. Mein Seelenhund. Plötzlich war da nur noch Micky. Sie hat uns aufgefangen, Halt gegeben und wir waren fest entschlossen, dass ein Hund reicht.
Einfach, weil wir im Hinterkopf hatten, irgendwann mal ins Flugzeug zu steigen und eine Zeit im Ausland zu verbringen. Reisen, ohne das Gefühl zu haben jemanden zurück zu lassen. Aber es fehlte einfach was! Der Platz war da, das Herz hat sich nach einer weiteren Seele gesehnt. So fing ich an zu schauen.“
„Sie sind für mich so viel mehr als „nur Hunde“, sie sind Familie und ein großer Teil meines Lebens.“
„Ihr müsst wissen, ich bin seit 1997 keinen einzigen Tag ohne Hund an der Seite. Sie sind für mich so viel mehr als „nur Hunde“, sie sind Familie und ein großer Teil meines Lebens. Und dann kam im Mai 2018 das Abenteuer Nalani. Wir hatten im Tierheim Wermelskirchen eigentlich „Dates“ mit anderen Hunden, aber der Funke sprang nicht über. Auf der Homepage hatten wir aber schon das Foto der jungen Mischlingshündin gefunden.
Bei Nalani war sofort etwas Magisches. Trotzdem wollten wir unbedingt einen älteren Hund, aber ihr wisst wie das Leben dann manchmal so spielt. Micky und Nalani konnten sich in der Natur beim Spaziergang kennenlernen, wir hatten alle Zeit der Welt und waren mehrmals vor Ort was total schön war.“
Junghündin Nalani und Seniorin Micky erleben die verschiedensten Abenteuer mit Alexandra und ihrem Mann Marko. Hier sind sie auf einer gemeinsamen Wanderung am steirischen Bodensee. Verfolgen kann man die Familie bei Instagram unter @alex_lovesnelly. Foto: Alexandra Evang Photographie
Haben sich die beiden direkt von Anfang an verstanden?
„Nalani war wahnsinnig vorsichtig und wir hatten das Gefühl, dass sie Micky einfach gefallen möchte. So hart das jetzt klingt, ich glaube Micky hätte Nalani vor drei Jahren nicht unbedingt gebraucht.
Aber für Nalani war Micky damals die beste Stütze. Sie hat ihr so viel von ihrer Ruhe und Sicherheit mitgegeben: Straßenverkehr, U-Bahn fahren, Restaurantbesuche, egal was – Micky ist mega souverän. Das hat auf Nalani abgefärbt.“
Wie gehen Micky und Nalani heute miteinander um?
„Im Gegensatz zu früher, profitiert heute unsere derweil Demenz erkrankte Micky von Nalani. Sie orientiert sich unheimlich an ihrer großen Schwester, da sie zusätzlich kaum mehr hören und sehen kann. Nalani beschützt Micky und passt mit auf, dass sie nicht „verloren geht“.
Das Kommando „Hol / Stups Micky“ ist für uns Gold wert und die beiden sind einfach ein wundervolles Team! Sie kuscheln nach wie vor nicht zusammen, aber profitieren unheimlich voneinander und akzeptieren sich einfach. Sie sind nicht nur vom Alter, sondern auch vom Charakter sehr unterschiedlich und jede Hündin auf ihre ganz eigene Art sehr besonders für uns.“
Junghündin Nalani und Seniorin Micky gehen auch mit auf Bergwanderungen. Foto: Alexandra Evang Photographie
Worin besteht die Herausforderung, ein altes und ein junges Tier zusammen zu halten?
„Die Herausforderung besteht darin, dem jeweiligen Hund gerecht zu werden. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass es für uns gar nicht so herausfordernd ist. Mein Mann und ich sind mit der Fotografie gemeinsam selbstständig (www.alexandraevang.de). Die Hunde sind komplett in unseren Alltag und Beruf integriert.
Wir schaffen es dadurch beiden Hündinnen absolut gerecht zu werden. Aber es ist auch Arbeit und es kostet Zeit, dass darf man einfach nie vergessen. Wer denkt, dass man einen Hund bekommt, die Erziehung läuft so nebenbei und man ist von Tag eins voller Vertrauen, Liebe und einfach das perfekte Team, geht schon mit den falschen Gedanken an die Anschaffung eines Tieres.
Und wer glaubt Nalani sei nur wild und fordernd und Micky nur faul und gemächlich aufgrund ihres Alters, dem sei gesagt: Das Gegenteil ist der Fall! Micky zieht komplett mit, geht mit in die Berge wandern, macht Radtouren in ihrem Korb mit und ist bei jedem Spaziergang dabei. Und Nalani? Die liebt es gefordert zu werden, ist aber gleichzeitig die Ruhe selbst und einfach wahnsinnig entspannt.“
Hast du Tipps, wie man ein älteres und ein junges Tier zusammenführen kann?
„Der erste Tipp wäre sich einfach zu trauen. Nicht zu viel auf den Kopf, sondern viel mehr auf das Herz zu hören. Das gilt aber für sämtliche Situationen im Leben. Und ich würde immer eine neutrale Situation und Ort zum Kennenlernen wählen.
Wir haben uns für Nalani als Junghund entschieden, weil sie bei mehreren Besuchen im Tierheim immer souverän, entspannt und vorsichtig gegenüber Micky war. Sonst wären wir den Schritt mit ihr auch nicht gegangen.
Und wenn der junge Hund dann ins Haus kommt, ist es wichtig von vornherein Regeln einzuführen und immer auf das alte Tier zu achten. Micky hat ihre Zonen direkt abgesteckt und dabei haben wir sie auch unterstützt. So wusste Nalani von Anfang an, wo die Grenzen sind und hat diese bis heute akzeptiert. Wir leben sehr harmonisch und da sind Regeln, Grenzen, bedingungslose Liebe und Verständnis die Grundbausteine für.“
Alles andere als gemächlich: Hundeseniorin Micky genießt die Fahrt auf dem Boot. Foto: Alexandra Evang Photographie
Was ist DER Grund für dich, warum man ein älteres Tier adoptieren sollte?
„Weil sie Herzen öffnen, weil sie uns zeigen was es heißt im Hier und Jetzt zu sein. Das erste Jahr mit Micky war durch ihr bescheidenes Vorleben wahnsinnig herausfordernd, aber sie war all die Mühe und schlaflosen Nächte wert.
Heute ist Micky ein Herz auf vier Pfoten! Sie kam 2015 in unser Leben, mit dem Wissen, dass sie vielleicht nur ein paar Monate bleiben würde, weil sie einfach so viel durch gemacht hat.
Aus vermeintlichen Monaten werden im Sommer 2021 sechs Jahre, die sie bei uns ist. Dann wird sie wundervolle 17 Jahre alt. Stellt euch vor, wir hätten auf diese unfassbar besondere und lehrreiche Zeit mit ihr verzichtet? Das wäre ganz schön traurig. Wenn ihr die Möglichkeit habt: MACHT ES!
Alte Tiere bereichern und schenken so viel Liebe, wenn das Vertrauen des Hundes und das Gefühl von „Du bist mein zu Hause“ erst einmal da ist! Wir genießen jeden Moment zu viert und hoffen auf noch viel mehr davon. Das Leben mit Micky und Nalani auf unser wunderschönen Erde ist einfach ein Geschenk!“