Magazin · Tierschutz aktiv · 23. September 2025 · 4 Min. Lesezeit
Eine starke Stimme gegen das Massaker – Amina Meriç kämpft für die Straßenhunde in der Türkei
Sie bekommt Personenschutz, steht auf einer Beobachtungsliste und setzt dennoch ihr Leben aufs Spiel: Die Aktivistin Amina Meriç kämpft unermüdlich gegen das staatlich angeordnete Massaker an Straßenhunden in der Türkei.

Wir haben die engagierte Tierschutz-Aktivistin im September interviewt. Foto: VETO
„Was passiert mit einem Land, wenn alle Tiere tot sind?“
Amina Meriç, Stop the Killing e. V.
Anwohner, die aus Angst vor Bestrafung tagsüber nicht mehr füttern, Tierfänger, die Hunde im Auftrag der Regierung einfangen und grausam töten und immer weniger Tiere auf den Straßen – das sind Nachrichten, die uns in den letzten zwölf Monaten aus der Türkei erreichen. Das war nicht immer so, wie die in Deutschland lebende Türkin Amina Meriç betont: „Das ist nicht das Bild, mit dem ich aufgewachsen bin, und ich bin erschüttert darüber.“
Seit der Einführung des Straßentiergesetzes im August 2024 hat sich laut Amina der Umgang ihrer Landsleute mit den Streunern – und damit das Straßenbild in ihrer Heimat– stark verändert: „Es ist so ein großer Unterschied zu früher. Die Straßen werden immer leerer. Wenn man heute in dem Land ist, sieht man kaum noch Streuner, die eigentlich in einem natürlichen Kontext zum Straßenbild der Türkei gehört haben.“ Auch die Einstellung der Menschen zu den Tieren hat sich gewandelt: „Ein Bewusstsein für die Tiere ist fast gar nicht mehr da.“
Der Grund dafür ist Propaganda, sagt die Aktivistin: „Das sind bestimmte Propagandaaktionen, mit denen die Menschen gefüttert werden, sodass sie glauben, dass die Tiere schlecht sind, dass sie Krankheiten übertragen, dass sie Menschen gefährden.“ Hinzu kommen neue inhumane gesetzliche Vorgaben: „Seit einigen Monaten dürfen wir in der Türkei in einigen Gemeinden ganz offiziell nicht füttern und ihnen kein Wasser geben.“
Mittlerweile gilt dadurch das Versorgen von Tieren als etwas Negatives, berichtet sie: „Du sitzt in einem Café mit vielen Menschen und da kommt ein vollkommen ausgemergelter Hund, der schrecklichen Hunger hat, der Durst hat, und keiner von denen steht auf und gibt ihm etwas.“
Aktivismus mit schwerwiegenden Folgen
Gegen die Propaganda kämpft Amina täglich. Sie steht an vorderster Front der Bewegung „Stop the Killing“, die sie gemeinsam mit Freunden und anderen Tierschutzaktivistinnen und -aktivisten in Berlin gegründet hat. Ihr langfristiges Ziel: Der Aufbau von einem einflussreichen internationalen Netzwerk, das die Türkei zum Handeln zwingt – weil alle hinschauen: „Unsere Stimme wird immer lauter – das macht mir Hoffnung.“
Ihr Aktivismus bringt jedoch schwerwiegende Folgen mit sich: Amina steht nach eigenen Angaben auf einer Beobachtungsliste und reist aus Angst, verhaftet zu werden, nicht mehr in die Türkei. Auf Großveranstaltungen in Deutschland bekommt sie Personenschutz und sie hält ihren Wohnort geheim, aufgrund der massiven Bedrohungen – von Online-Hass bis zur Androhung körperlicher Gewalt–, denen sie wegen ihres Einsatzes für die Tiere in der Türkei ausgesetzt ist.
Sie macht dennoch entschlossen weiter: „Wir sind die Hoffnung für die Menschen dort drüben in der Türkei. Wir sind solidarisch an ihrer Seite und werden weiterhin ganz viele Menschen darüber informieren.“ So sichtet und verbreitet sie jeden Tag Fotos und Videos, die andere Aktivisten versteckt aufgenommen haben, um die Wahrheit in die Öffentlichkeit zu bringen – eine Wahrheit, die oft unerträglich ist: „Das kann das normale menschliche Bewusstsein überhaupt nicht akzeptieren, dass so etwas existiert, und deswegen verdrängen die meisten Menschen diese Wahrheit.“ Videos von kranken Welpen, die ohne Futter im eigenen Kot liegen, von Massengräbern mit lebendig begrabenen Tieren und von Hunden mit abgeschnittenen Gliedmaßen. Die psychische Belastung, die Amina durch die tägliche Konfrontation mit der Gewalt hat, ist enorm, aber sie weiß: „Jedes einzelne Wesen, das wir retten, ist es wert.“ Jeder Hund, den sie in Sicherheit bringt, gibt ihr neue Kraft.
„Wenn ich das erste Mal sehe, wie so ein Hund in unserem Schutzareal schläft, das erste Mal ohne Angst, das erfüllt mich mit Sinn. Das gibt mir Frieden.“
Amina Meriç, Stop the Killing e. V.
Mit internationaler Solidarität für die türkischen Straßentiere
Dass es nicht so weitergehen kann, sobald die internationale Aufmerksamkeit wächst, ist für Amina klar.
„Vielleicht schaufelt sich die Türkei momentan das eigene Grab.“
Amina Meriç, Stop the Killing e. V.
Noch machen die Gemeinden jedoch mit, klagt sie an: „Wir wissen, dass es in den staatlichen Tierheimen in der Türkei nur die Kapazität für 140.000 Tiere gibt, und deshalb sollen die Straßentiere vernichtet werden. Das hat das Innenministerium angewiesen, und die Kommunen müssen sich danach richten. Wenn sie die Tiere nicht von den Straßen holen, dann müssen die Bürgermeister mit einer Freiheitsstrafe rechnen oder mit einer horrenden Geldstrafe. So eine Kommune hat vielleicht zwischen 4.000 und 10.000 Straßenhunde. Das heißt, die Kommunen schützen sich selbst, indem sie Hunde vernichten.“
Wenn also die Regierung versagt und der Druck auf Tierärztinnen und Tierärzte sowie Politikerinnen und Politiker, die sich weigern, zu töten, größer wird, müssen Aktivistinnen wie Amira ihre Stimme lauter werden lassen. Dank aufklärender Social-Media-Beiträge müssen Behörden vermehrt mit öffentlichem Aufruhr rechnen, und die wachsende internationale Aufmerksamkeit übt ebenfalls Druck auf die Türkei aus. Aminas Bewegung „Stop the Killing“ organisiert weiterhin Demos und Mahnwachen, verteilt Flyer und Plakate und verbreitet Video- und Fotodokumentation der grausamen Geschehnisse auf allen Kanälen – und bekommt dafür Hass und Gegenwehr: „Daran sehen wir, dass wir etwas erreichen, dass wir etwas bewegen. Sonst würde man nicht ständig versuchen, uns einzuschüchtern.“
Sie selbst schöpft ihre Kraft aus der internationalen Solidarität: „Es gibt in der Türkei und auch außerhalb der Türkei ganz viele Menschen, die sich für die Tiere einsetzen.“ Das haben auch wir auf zahlreichen Protestaktionen in Deutschland und auf unserer VETO-Tierschutzreise in der Türkei bezeugt. Amina setzt sich unter Lebensgefahr für die Hunde ein, die in der Türkei gnadenlos verfolgt werden. Und wir müssen ihr dabei helfen.
Was ist geplant? Wir unterstützen unter anderem Aminas Verein Stop the Killing e. V. dabei, neue Gehege zu errichten und Winter-Paddocks aufzubauen, die den dort lebenden Straßenhunden Schutz bieten, um den harten Winter in den türkischen Gebirgen zu überleben. Wir liefern Futter und wir wollen dauerhaft Strukturen vor Ort aufbauen, die den Tieren Sicherheit geben. Und unser langfristiges Ziel bleibt es weiterhin, so viele Hunde wie möglich nach Europa in sichere Zuhause zu vermitteln und das andauernde Massaker gegenüber den Straßenhunden in der Türkei in eine größere Öffentlichkeit zu bringen.
„Wir haben viel mehr Möglichkeiten, als wir uns eigentlich vorstellen können. Auf den Mahnwachen sage ich immer ‚Aufgeben ist keine Option. Seite an Seite, Hand in Hand, Herz an Herz. Und es geht weiter. Und wir werden es schaffen.‘“
Amina Meriç, Stop the Killing e. V.
Unterstützen wir Amina gemeinsam dabei, so viele Tiere wie möglich in Sicherheit zu bringen – bevor es zu spät ist. Danke, dass du nicht wegschaust.



